Mittwoch, 11. September 2013
¶ ...
Sitze draußen. Suche Ruhe. Finde nur hier welche. Es ist kalt, der Himmel wird langsam dunkel und der Wind pfeift um die kalten Mauern. Aber das ist nicht wichtig. Drinnen finde ich keine Ruhe. Hier schon. Mein neues kleines Glück. Mein neues kleines Schneckenhaus. Von hier oben sehe ich viel, werde weniger gesehen. Hätte nie gedacht, dass mir das einmal gefallen könnte.
Durch meinen Kopf wandern die vielen Sätze der letzten Tage.
"Du könntest fünf von ihnen haben. Fünf! Alle gleichzeitig und alle würden das mitmachen."
Ich sehe die Anzeige schon vor mir: Suche Kombipartnerschaft. Einen zum liebhaben, einen fürs Bett, einen zum anmeckern, einen für die Hausarbeit, einen, der mich zum lachen bringt.
Ich muss schmunzeln bei dem Gedanken. Ob meine Liebste damit Recht behält, sei dahin gestellt. Will ich doch nur den Einen. Wenn er auch nicht der Richtige ist.
Und prompt fällt mir der nächste Satz ein: "Beziehung mit Ablaufdatum."
Bis wann? Vorerst noch unklar. Enden sollte es aber irgendwann.
Ob das "Hexlein" damit Recht behält, sei ebenso dahin gestellt.
Will ich doch nur den Einen. Wenn er auch nicht der Richtige ist.
Dass ich es irgendwie nicht will, ist auch offensichtlich. Dass ich damit etwas nie mehr wollte, als, dass ich es nicht will, ist ebenso klar.
Letztendlich will ich es aber. Mit Ablaufdatum? Ablaufdatum nächste Woche?
Fakt ist: ab nächster Woche wird mein Herz bluten. Welchen Weg gehe ich aber, damit es weniger schmerzt?
Ich habe den Richtigen noch nicht gefunden. Also den richtigen Weg. Nicht den richtigen Mann.
Fällt mir doch Mister Perfekt ein. Der hat jetzt beschlossen, dass es nie mehr einen Weg für uns gibt. Ist auch sein gutes Recht. Würde ich ewig auf eine Frau warten, die momentan eher Hölle als Himmel will? Offensichtliche Hölle... kaum zu glauben, dass das zur Zeit mein Himmel ist.
Ich schweife ab- die Frage war, nach der Lösung für die nächste Zeit.
Ich habe keine. Würde er hier bleiben... Gäbe es keine Frage. Bleibt er hier? Nein.
Würde er bleiben? Nein. Würde er bleiben, wenn was? Egal was- er würde nicht bleiben.
Ich muss stocken. Muss eine Schreibpause einlegen. Der Vorvorletzte Satz hat mir einen herben Schlag versetzt. Ihn zu schreiben schmerzt mehr, als ihn zu denken.
Gleichzeitig denke ich mir, wie verquert es ist, auf ein Bleiben zu hoffe. Wie irrelevant.
Vollkommen ungerechtfertigt. Würde er sagen, er würde bleiben, ich würde ihm sagen, er solle gehen. Wieso? Verschenktes Geld... verschenkter Urlaub. Verschenkte Vorfreude.
Ob es mich stört, dass er das Bleiben nie in Betracht gezogen hat? Ja.
Ungemein, ja.
Ich wollte wenigstens die Chance haben, nein zu sagen. Ich wollte wenigstens die Chance haben, Veto einzulegen.
Hat er mir nicht gegeben. Hat er mich nicht gewährt. Hat er mir nicht gelassen.
Ich muss noch eine Rauchen- welch schreckliches Laster! Es qualmt in meinem Kopf, nicht am Ende der Zigarette.
Ich sollte ihm sagen, wenn ich darüber reden. Ja reden. Reden will ich, wenn er nicht da ist. Wenn meine Meinung gefasst ist. Wenn ich gefasst bin. Wenn mein eiskaltes Biest sagt: "Dreh dich um und geh!"
Steht er vor mir, blicken mich blauen Augen an, in denen ich versinken möchte. Untergehen, wie in einem azurblauen Meer. Meine Meinung- weg. Mein eiskaltes Biest- im Schneckenhaus.
Wie kann sie mich nur immer im Stich lassen?
Und auch nur, bei ihm? Ansonsten hatte sie doch auch nie Probleme?
Hier schon, heute und immer.



Dienstag, 10. September 2013
¶ Morgen
Irgendjemand hat die Wettertrommel angeschmissen und meinen Lieblingsort nass, kalt und windig gemacht. Es zieht um mich herum, meine Füße sind Eis und meine Hände zittern. Vorgestern noch saß ich abends hier und habe überlegt, ob ich mir eine Decke hole und unter freiem Himmel schlafe. Wäre wohl keine gute Idee gewesen, denn es hat die halbe Nacht gewittert und gekracht.
Die letzte Nacht war ich nun auch unruhig. Konnte kaum schlafen, kaum ein Auge zu machen. So viel und doch so wenig passiert am Tag. Mich zu zwingen an meinem Leben wieder teilzuhaben ist scheinbar keine leichte Aufgabe für mich. Musik dröhnt um meine Ohren und ich versuche mich zu motivieren. Sie lenkt mich eher ab, schickt mich in eine Traumwelt, in der ich Ruhe finde. Gleichzeitig wippt mein Körper in den lauten Klängen. Wenn ich könnte, würde ich jeden Tag tanzen. Tanzen bis mir die Füße bluten. Weit weg von hier sein.
Ich könnte den Fünf-Dollar-Roman vergessen, in dem ich mich gestern wiederfand. Zwei Gruppen von Menschen, die gegeneinander stehen und noch nicht einmal so recht wissen, wieso. Frauen... der eine sagt das, der andere das. Am Ende gibt es gefühlt tausend Tote und alles bleibt ungeklärt.
Trotzdem konnte ich den Tag mit zwei meiner Liebsten ruhig ausklingen lassen. Ausgelassen sein.
Als ich dann doch allein Zuhause ankam, wenn man das hier als Zuhause bezeichnen kann, war ich müde und irgendwie innerlich traurig. Ich kann gar nicht sagen, wieso. Die letzten Tage waren gezeichnet von vollkommenem Glück. Aber träumen ist nicht mehr. Mein Blick wandert durch die leeren Räume und ich zwinge mich, mich zu erinnern. Ich komme immer noch zu keinem Schluss. Alles, was ich weiß ist, dass ich dieses Mal nicht vergessen will.
Ich will nicht noch einmal durch das Leben gehen und wissen, dass schlimme Dinge passieren. Auch mir passieren, ich sie aber so sehr vergessen kann, dass ich mir einbilde, sie wären nie geschehen.
Ich will gar nicht hier sein. Irgendwie will ich gar nicht hier sein. Das spricht alles so dagegen. Wieso ich es trotzdem bin? Er macht mich glücklich.
Reicht mir das? Reicht das aus? Wenn ich darüber nachdenke, komme ich immer wieder an den Punkt, an dem es mir nicht reicht. Es reicht nicht aus. Reicht nicht für mich.
Ich bin trotzdem hier. Lebe für den Moment. Den Moment für ihn. Den Moment mit ihm. Wenn er mich ansieht durchströmt mich dieses unglaublich beruhigende Gefühl. Liegt er schlafend neben mir, würde ich ihn am liebsten schlagen. Es überkommt mich die Wut. So sehr, dass sie mir den Schlaf raubt. Und letztendlich liegt wieder ein Tag vor mir, an dem ich müde erwache, mich müde an den Tisch setze und meine Aufgaben auf Morgen verschiebe, an dem ich hoffentlich nicht müde sein werde.
Morgen muss alles anders werden. Morgen.
Welch schreckliches Wort.



Freitag, 6. September 2013
Ich liege in meinem Bett. Kann nicht schlafen. Der Gegenwind ist zu stark. Es ist laut. Von draußen schlagen die Bäume. Sie schlagen gegen die Wände. Schlagen, als ob sie mich hinaus aus meinem Häuschen riefen. Kleine Schnecke, du kannst dich nicht länger verstecken.
Nun liege ich also in meinem Bett. Kann nicht schlafen. Der Regen ist zu stark. Er peitscht gegen die Fenster, als hätte es Monate lang keinen Regen mehr gegeben. Er peitscht und peitscht. Peitscht, als ob er mich hinaus aus meinem Häuschen riefe. Kleine Schnecke, du kannst dich nicht länger verstecken.
Liege in meinem Bett. Kann nicht schlafen. Der Sturm ist zu stark. Der Wind heult laut. Er heult durch die Spalten der Türen, durch die Schlitze der Fenster. Er heult um die Mauern, als ob er mich hinaus aus meinem Häuschen riefe. Kleine Schnecke, du kannst dich nicht länger verstecken.
Und so liege ich in meinem Bett, kann nicht schlafen, höre die Bäume schlagen, höre den Regen peitschen, den Wind heulen. Ziehe die Decke über meinen Kopf. Könnte schreien vor Angst, könnte weglaufen vor Furcht und bleibe dennoch liegen. Bleibe liegen.
Liege in meinem Bett. Kann nicht schlafen...




Mittwoch, 4. September 2013
Melancholie in der Luft. Ich kann mich nicht entscheiden. Mein Kopf qualmt und meine kleine Welt brennt. Baum für Baum brennt er nieder, dieser kleine blühende Wald. Am Anfang sah ich wie Rauch aufstieg. Mittlerweile spüre ich die Hitze, den Qualm, die dunkle Luft. Ruß in meinen Lungen. Ruß auf meiner Haut. Ringe ich nach Atem. Rudere in einem Meer aus Teer und weine um meine Schätze, deren Grün noch vor ihren starken Stämmen zu verbrennen drohen. Asche ist, was bleibt. Asche ist, was kommt.
Kann es sein, dass es wirklich so geschehen ist? Meine Beine hängen fest in diesem lähmenden Schwarz. Ich scheine mich nicht länger wehren zu können gegen drohendes Feuer. Jeden Tag kommt es näher und es wird schneller und schneller. Entwurzelt meine Träume. Entwurzelt gar mich selbst. Geflohen sind die Tiere, geflohen, gerannt. Um ihr Leben gerannt.
Ich blicke in den fast nicht sichtbaren Himmel. Vögel durchstreifen die dunklen Wolken in Richtung Sonne. Ach könnte ich nur mit ihnen Fliegen. Ich würde sofort. Aber in meinen Träumen hält mich dieser Teer fest und fester. Die Finger gen Himmel, spüre ich die Federn um mich und einen tiefen Schrei. Denn mit all meinen Wünschen muss ich erkennen, dass ich doch hier hängen bleibe. Was auch immer es ist. In der Dunkelheit kann ich es nicht erkennen.
Kein Tag vergeht, an dem mich nicht die Angst packt. Kurz nach ihr krabbelt Wut in meine Kehle. Kurz vor ihrer Wiedergabe folgt Resignation. Es ist für Minuten still in meinem Kopf. Dann kommt der Trotz. Dann wieder Trauer und am Ende des Tages? Die Hoffnung, dass der Nächste nicht so werden wird. Seit Monaten hoffe ich auf den nächsten Tag. Bisher sind so viele gekommen und gegangen, dass ich nicht mitbekommen habe, ob einer mehr oder weniger gut war. Bin rastlos und doch so festgefahren. Schaffe es nicht nach Luft zu ringen. Was muss noch geschehen? Muss ich erst ganz und gar verbrennen? So richtig? Was mich innerlich zerfrisst zieht sich seine Wege nach außen.
Ich kann meinen Traum dennoch nicht aufgeben. Will ich doch nur sein, wer ich bin und so auch sein dürfen.
Statt dessen bin ich so gar nicht ich. Jeden Tag hin und her gerissen. Jeden Tag der selbe Kampf in meinem Kopf. Ich laufe auf und ab. Drehe mich im Kreis. Finde keine Lösung.
Ich habe aufgegeben daran zu glauben, dass es besser werden kann. Auch, wenn er jetzt anders handelt. So handelt er doch immer nie so, wie ich es erwarten würde. Vielleicht auch eben weil er jetzt so ganz anders ist. Ich erwarte sein gewöhnliches Desinteresse. Ich erwarte, dass er sich nicht meldet. Ich erwarte, dass er mich vergisst.
Tut er nicht.
Statt dessen steht er vor meiner Tür. Erfüllt mir Wünsche. Lacht mich an.
Tag für Tag spielt er den Traummann und Tag für Tag glaube ich nicht an ihn. Warte darauf, dass er wieder er selbst wird und tue mir damit nur weh. Ich traue ihm nicht. Traue keinem Atemzug, keiner Handbewegung. Alles schreit nach Lüge.
Zu sehr hatte ich an ihn geglaubt. Zu sehr hatte ich mehr geträumt, als mit den Augen gesehen. Und jetzt soll mein Traum plötzlich Realität sein? Jetzt? Und er wird nicht platzen?
Daran kann ich glauben. Kann nicht mehr glauben und verstehe das Schicksal nicht. Verstehe nicht, wieso es mich vor eine so scheinbar einfache Aufgabe stellt und wieso ich einfach nicht in der Lage bin, sie zu lösen.
Er tut mir so viel Gutes und immer fühlt es sich so falsch an. Ich bin die ganze Zeit auf der Suche nach dem Beweis für seine Lügen und könnte mich nur Ohrfeigen, wenn ich mich erwische, wie ich daran denke, Grenzen zu überschreiten. Aber ich könnte nie ich sein, wenn ich das täte. Nie mehr.
Und so ist es das einzige, was meinen Wald noch am Leben erhält. Dieses kleine bisschen Vertrauen in mich selbst.
Ich habe so viel geschafft. Wieso mich dieses unbedeutend kleine Ding so tief fallen lassen kann. Ich kann es nicht verstehen. Und jeden Tag hin und her gerissen. Jeden Tag der selbe Kampf in meinem Kopf. Ich laufe auf und ab. Drehe mich im Kreis. Finde keine Lösung.